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Warum ist es wichtig wie ich aussehe?

Vergangene Woche habe ich einer guten Bekannten erzählt, dass ich inzwischen 9 Kilo abgenommen habe. Ich erzähl das nicht jedem, das hängt stark von der Person ab, von dem Gespräch und ob ich mich in der Situation wohl fühle. Die Situation hat insgesamt sehr gut gepasst und daher hab ich mich von meiner offenen Seite gezeigt und ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert.

In solchen Gesprächen ist die Reaktion in der Regel ähnlich: Hey, das ist ja super! Ich freu mich für dich! Wie hast du das geschafft? Ja, man sieht es ja auch schon! Du siehst toll aus! Schön, dass du dich wohlfühlst. In dem Gespräch vergangene Woche war die Reaktion folgendermaßen: Jaaaa, du warst ja zwischenzeitlich auch schon ganz schön... (kurze Pause) ...dick.

Das hat gesessen.

Ich bin mir dessen bewusst, dass man mit Kleidergröße 46 (die hatte ich vergangenen Sommer, das war bislang mein höchstes) mit Sicherheit keine Grazie ist. Und ich habe mich auch nicht wohlgefühlt. Auf Fotos von letztem Jahr ist das deutlich zu sehen: Nicht geschminkt, lange Haare ohne wirklichen Schnitt, einfach zu einem Zopf zusammengebunden, schlichte und einfach Kleidung, meist Schwarz um nicht aufzufallen.

Heute ist das bedeutend anders. Was aber nicht primär mit den 9 Kilo Unterschied zu tun hat. Denn auch heute bin ich keine Grazie: Übergewicht habe ich noch immer. Aber ich habe meinen Körper kennen gelernt. Ich weiß, wie er aussieht, wie er sich verhält, wie er wirkt und was mir steht. Ich habe Mut zur Farbe entwickelt, Mut zu neuem Stil, Mut zur Veränderung, Mut zu mir und meinem Körper zu stehen. Ein aufgefüllter Kleiderschrank, eine neue Frisur, ein bisschen Schminke und ein Auge fürs Detail sorgt heute dafür, dass ich stolz bin mich zu zeigen. Ich muss mich nicht verstecken. Und damit fühl ich mich unglaublich wohl.

Wenn man nach solch einer Entwicklung diese Reaktion erfährt, tut das unglaublich weh. Neue Selbstzweifel entflammen, der überkritische Blick kehrt zurück und die Frage "Wie wirke ich auf andere Menschen?" steht wieder im Zentrum der Überlegung. Und auch, wenn der Satz irgendwann nicht mehr so präsent ist, sondern im Gedächtnis weit nach hinten rutscht, so bleibt doch ein bitterer Beigeschmack: Warum ist es wichtig, wie ich aussehe? Sollte nicht viel wichtiger sein, wer ich bin?



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[Image: Sommer 2012, Größe 46 - auf dem Trampolin]


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